Das Skandinavien des Waldviertels
Rastenfeld, Waldviertel, Niederösterreich
Zwei Tage ist das neue Jahr alt. Seit der Silvesternacht ist es in Wien schon wieder neblig. Nach meinem ersten Kaffee durchstöbere ich unsere Wanderbox der tut-gut-Wanderwege. Tja, sollen wir, oder sollen wir nicht? Sollen wir unser neues Wanderjahr einläuten?
Nach einer guten Stunde weiß ich am Marktplatz schon wieder vor lauter leeren Parkplätzen nicht, wo ich parken soll. Immer diese Entscheidung. Die Fahrt durch eine Mischung von romantischer Winterlandschaft und düsterem Grau bis hier ins Waldviertel war ein wahrer Traum.
Bei - 3 Grad steigen wir aus dem Auto und suchen das erste Schild der tut-gut-Wanderwege, diesmal möchten wir Nummer 3, mit knapp 9 km, in etwa 150 Hm und rund 12.300 Schritten erkunden.
Eine besondere Winterlandschaft
Zuerst führt der Weg vorbei am Gemeindeamt, dem modernen Kindergarten und parallel zur B37. Wir durchwandern eine besondere Winterlandschaft.
Bald verlassen wir die traumhafte Landschaft und tauchen in den Wald ein. Dabei finden wir wohl den interessantesten Parkplatz aller Zeiten.
Der gut beschilderte Wanderweg führt entlang des Purzelkamps. Es ist so schön ruhig, der Kamp liegt spiegelglatt neben uns. Wir genießen die Stille, erfreuen uns an dem Naturszenario, als ein lautes Krähen mit schnarrenden und gurgelnden Tönen alles durchbricht. Sechs Kormorane haben es sich auf dem anderen Ufer auf einem Stein gemütlich gemacht. Lange schauen wir ihrem Treiben zu. Bis einer der, immerhin bis zu 1 m großen Tiere, aus der Gruppe ausbricht und dann beginnt das, für mich so lustige, flapp-flapp-flapp. Immer wieder schaue ich fasziniert diesen schwarzen Vögeln beim Starten zu. Sie erinnern mich an mich, ich brauche auch immer einen gewissen Anlauf, bis ich in Wanderschwung komme.
Wie in einer anderen Welt
Wir ziehen weiter. Der Weg ist gut zu gehen, hat nur ein paar kleine Steigungen und führt wirklich durch eine atemberaubende Naturkulisse. Auf der einen Seite die, für das Waldviertel typischen Steinformationen, auf der anderen Seite immer wieder tiefe Blicke zum Purzelkamp. Wir sehen im Geäst einen Zaunkönig, lesen aus den Biberspuren, hören Singvögeln zu und treffen einen Indianerhäuptling.
Immer wieder stehen Bänke und Tische zum Verweilen parat. Hin und wieder halten wir inne und genießen unseren Früchtetee, dazu ein paar Schnitten vom Frühstücksstriezel und eine Packung Mannerschnitten. Zum Sitzen ist es jedoch heute viel zu kalt.
Nur selten begegnen wir anderen Wanderern, die aber alle freundlich grüßen. Langsam verstehe ich das Skandinavien des Waldviertels, denn wir durchqueren immer wieder kleine Fjorde, stehen auf Aussichtsfelsen, schauen neugierig in die Tiefe oder erheben unseren Blick bis zu den, noch immer vereisten, Baumspitzen.
Zum Glück gibt es immer einen Plan B
Der tut-gut-Weg 2 stößt irgendwann zu uns und beide verlaufen parallel bis zur, in Privatbesitz befindlichen Schöpfermühle. Einige Zeit später trennen sich die beiden Wege. Nachdem wir wieder mal viel zu viel Zeit für unsere Genusswanderung verbraucht haben, der Nebel immer dichter und es immer kälter und düsterer wird, beschließen wir unseren Ausflug über den Rückweg von Weg 2 abzukürzen und nach Hause zu fahren. Leider hat aufgrund Corona noch immer keine Gastronomie offen, sonst wäre ein kleiner Umweg zum Stausee Ottenstein am Programm gestanden. Im Sommer ist die Wanderung in Verbindung mit einem Besuch im nahen Schloss Waldreichs, mit der, für mich immer wieder, faszinierenden und unheimlich persönlichen Greifvogelschau ein guter Tipp. Jetzt geht es ab nach Hause, wo ich heute aus meinem Krisenkochbuch Hascheehörnchen mit Salat mache.
Unsere allgemeinen Wandertipps: Großstadtwanderer
Fotos von Fotografin Renate
Wien, 02.01.2021