Goetheweg zum Brocken

Torfhaus, Niedersachsen, Deutschland

Nur für das Protokoll: "Ich wollte da nicht rauf".

Doch jetzt stehe ich mit stolzgeschwellter Brust, meinem "Chef" innigst dankbar, in eisiger Sommerkälte im Sturm auf immerhin 1.141 m über dem Meer. Geschafft! Und diesmal nicht mit der dampfbetriebenen Brockenbahn, sondern zu Fuß. In knapp 2 ½ Stunden über den Goetheweg von Torfhaus aus. Für uns Großstadtwanderer, zwar diesmal nicht die höchste, dafür jedoch kilometermäßig längste Tour bisher.

Und so stehe ich als Hexe Ocativa auf Lebenszeit am berühmten Brockengipfel, dem höchsten Berg im Mittelgebirge Harz, in Sachsen-Anhalt und in ganz Norddeutschland. Schon fein, so eine wandernde Hexe zu sein. Und mit dem Besen wäre es bei dem Sturm wahrscheinlich ohnehin schwer gewesen.

Hinter uns, also zwischen Ausgangspunkt in Torfhaus und der verdienten, wärmenden Erbsensuppe liegen knapp 10 Kilometer und fast 400 Höhenmeter sowie eine Grenze. Die Grenze zwischen Niedersachsen und Sachsen-Anhalt an der Quelle der Ecker. Sowie einstige Grenze zwischen DDR und BRD. Und Stempelstelle Nr. 136 der Harzer Wandernadel. Auch wenn die Wege heute gut ausgebaut sind, die Natur aufgrund Windwurf und Borkenkäfer sich gerade neue Möglichkeiten anstatt der befallenen Fichten sucht, verstehe ich den deutschen Dichter und Denker Johann Wolfgang von Goethe, der hier am 10.12.1777 auf den Brocken stapfte. Kein Wunder, dass diese Wanderung einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen hat.

Wie schön müssen die vielen "Quitschen" am "Quitschenberg" (= Ebereschen) auf ihn gewirkt haben. Wie wunderbar fand er das Brockenfeldmoor. Wie anregend war für ihn die Quelle der Ecker.

Nach einer Runde am Gipfel mit Besuch des Nationalpark-Besucherzentrums treten wir den Rückweg an. Durch die Bäume hindurch sehen wir den Wurmberg. Wie war es noch am Sonntag, als wir mit einem Wandererpaar ins Reden kamen? Nein, wir Großstadtwanderer schaffen es nicht zu Fuß auf den Brocken. Und ich war felsenfest überzeugt: "Da will ich gar nicht hinauf". Und dann schaute mich mein "Chef" ganz treuherzig an. "Komm, kriegst auch einen Aufkleber am Gipfel für Deine Sammlung!" Wenn Männer starke Argumente auffahren…

Abermals dampft die Brockenbahn, die unermüdlich seit 1898 Touristen auf den Berg bringt, an uns vorbei. Nur nach dem Mauerbau am 13.08.1961 wurde der Personenverkehr zwischen Schierke und dem Brocken eingestellt. Die Brockenbahn dampfte nur zwischen Drei Annen Hohe bis Schierke, allerdings wurde hier ein Passagierschein gebraucht, da Schierke im Grenzgebiet an der Innerdeutschen Grenze lag. Zum Glück ist das alles Geschichte.

Gemütlich geht es bergab bis zum Kaiserweg, wo wir dann bei der Abzweigung links Richtung Torfhaus weiterwandern. Der Weg führt nun über künstlich angelegte Abbegraben, Bestandteil des UNESCO-Weltkulturerbes "Erzbergwerk Rammelsberg, Alstadt Goslar, Oberharzer Wasserwirtschaft", dem wir schon am Liebesbankerlweg begegnet sind.

Ich habe das Gefühl, als hätte ich Blei an den Füssen. Nein, es liegt nicht am Weg, sondern an der bereits gegangenen Strecke. Wir werden heute, mit dem Rundgang am Brocken sowie halt hin und herlaufen, an die 20 KM gehen. Und das nagt an der Substanz der Wiener Großstadtwanderer.

Doch ich muss weiter und die herrliche, so weich wirkenden Landschaft entschädigt für die Strapazen. Und der in Bau befindlichen Aussichtsturm beim Nationalpark-Besucherzentrum Torfhaus blitzt schon durch die eigenartig anmutenden Fichtenreste. Bald sind wir am Ziel. Ich spüre schon meinen Belohnungsdrink.

Es war eine schöne Strecke, die zwar durch die Länge besticht, jedoch die Höhenmeter kaum einem ins Schwitzen bringen. Gut, wir hatten den eisigsten Sommerurlaub der letzten Jahre… Dennoch, sehr empfehlenswert. Jedoch bitte achtet auf die Gesamtkilometer. Es gibt kaum eine andere Rückkehrmöglichkeit. Alternativ wäre nur die Fahrt mit der Brockenbahn bis Wernigerode und dann umständlich mit Bussen zurück nach Torfhaus möglich. Wer öffentlich nach Torfhaus anreist (die Busse in dieser Region sind bei der Gästekarte inkludiert) kann z.B. nach Wernigerode wandern oder nach Schierke. Es sei jedoch erwähnt, dass der Goetheweg nun mal der, gerade für so Wanderer wie uns, der einfachste ist.

Angaben lt. Internetrecherche – gefunden im Vorfeld.

Strecke: knapp 20 KM

Höhenmeter: knapp 400 Hm

Tourbeschreibung: mittel, wenn die Länge keine Rolle spielt

Wo geht es los? Wie kommt man hin?

Start und Ziel: Parkplatz Torfhaus

Anreise: PKW

Mit dem Auto: Parkplätze vorhanden. An unserem Wandertag gebührenpflichtig (EUR 7,00 für den ganzen Tag).

Öffentlich: Linienbus (stündlich)

Empfehlung für Gruppen: Wanderbusse ab 6 Personen bei CÄSAR

Wie lange waren wir unterwegs? Gibt es Rastmöglichkeiten? Gastronomie entlang der Runde?

Infos lt. Erfahrung am Tag unserer Wanderung

Unsere Dauer inkl. Fotos, Einkehr am Gipfel, Besuch des Nationalparkzentrums am Brocken: rund 7 Stunden

Bei Bedarf Verpflegung mitnehmen, jedoch wenig Rastmöglichkeiten gefunden.

Gastronomie entlang der Strecke: am Gipfel

Folgende Hinweise sind aus unserer Sicht bzw. Anhand unserer Erfahrung am Wandertag:

Markierung: am Tag unserer Wanderung gut markiert, sogar mit Km-Angaben

Kinderwagen: nicht unbedingt geeignet, dennoch haben wir zwei gesehen

Rollstuhl: nicht geeignet

Fahrrad: geeignet

Hunde: an der Leine kein Problem.

Wegbeschaffenheit: steiniger Forstweg

Was noch wichtig/interessant ist: Einen Besuch im Nationalpark-Besucherzentrum am Gipfel sowie in Torfhaus einplanen. Und sobald der Aussichtsturm fertig ist, gibt es sicher einen tollen Ausblick.

Wanderung Nummer 264 seit 29.08.2020

Unsere allgemeinen Wandertipps: Großstadtwanderer

Fotos von Fotografin Renate, www.fotografinrenate.at 

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Wien, 26.07.2023