Refugium Moorwald

Bad Leonfelden, Mühlviertel

Ich bin unschuldig. So etwas von unschuldig.

Liebevoll schaue ich meinen Chef an. Nein, ich kann nichts dafür, dass uns das Navi wieder mal irrführte und wir bei der berühmten Lebzelterei in Bad Leonfelden anstatt am geplanten Wanderbeginn gelandet sind. Nun können wir mit den vollen Bäuchen wohl kaum mehr unzählige Höhenmeter empor steigen.

Zum Glück gibt es in Bad Leonfelden unzählige Wandermöglichkeiten und so zieht es uns ins Moor. Dorthin, wo einst der Leonfeldner Eremit Franz Pachner seine Klause hatte. Heute führt niemand mehr ein einsames Leben am Rande des Steinwaldes. Fünf unterschiedliche Wanderrouten führen durch das riesige Areal, dazu gesellen sich ein Fitnessparcours und eine Yogawiese.

Ein wahres Kraftwerk aus der letzten Eiszeit umgibt uns. Ich spüre, wie die Natur Besitz von mir nimmt. Oder war es das letzte Stück Lebkuchen, das mich nun zum Schnaufen bei der wirklich geringen Steigung zwingt. Nein, kann nicht sein. Ist sicher nur die gute Luft und ich bin etwas zu flott.

Ich genieße den farbenfrohen Herbstwald, die Moorluft und lade Chef beim Ritter Kreuz zu einer kleinen Pause ein. Sitzen tut jetzt richtig gut, genügend Rastmöglichkeiten laden zum Verweilen ein. Die zuvor passierte Kneippanlage war mir heute zu kalt und außerdem müsste ich mich aus den festen Wanderschuhen quälen. Wie gesagt, wir hatten die Absicht ein paar Höhenmeter und Kilometer zu bewältigen, wurden aber dann mit Lebkuchen verführt.

Nach der Pause geht es vorbei an den Kletterbäumen, der Pilzschau, dem Tastweg zum Waldtelefon. Ich rufe mal an: "Hallo! Hallo!" Meine musikalischen Kunststücke am Waldxylophon erreichen nur, dass sich mein Chef die Ohren zuhält. So ein Kunstbanause.

Das Moor präsentiert erstrahlt in gelb-braunen Herbstfarben und im Moorbecken drängen sich gefallene Herbstblätter. Der leichte Nebel taucht die Landschaft in ein mystisches Licht. Langsam werden die Besucher weniger, der Wald umschließt uns einsamen Wanderer mit den vollgefüllten Großstadtbäuchen. Der Boden ist angenehm weich, die Luft klar und eine kühle Brise zieht an unseren Näschen vorbei.

Es ist so eigenartig still. Als würden die Tiere des Waldes den Atem anhalten. Als würde uns gleich etwas Großartiges über den Weg laufen. Als würde die Welt alle Augen auf uns richten.

Oh! Ich bleibe plötzlich stehen. Also da! Ich verstecke mich hinter meinem Chef, der einen Kopf größer ist. Da steht ein Dinosaurier.

Ich höre eine kleine Männeransprache, dass zu viel Süßes mir nicht nur auf die Hüften schlägt sondern auch meiner Phantasie nicht gut tut, während wir den friedlichen Zeitgenossen passieren. Zum Glück kann ich mich mit dem Zählen von Jahresringen ablenken. Durch einen Hohlweg und vorbei an einem Tümpel erreichen wir wieder das Kneippbecken und rollen noch ein Stück bergab bis zum Ausgangspunkt. Dabei begrüßen uns nicht nur die Teilnehmer der Walkinggruppe, sondern ebenso diese freundlichen Bewohner.

Nun geht es mit einem Kofferraum voll Weihnachtslebkuchengeschenken zurück zu unserem Quartier, dem Forellenwirt in Mitterbach.

Strecke lt. Internet/unserem KM-Messgerät: beschilderte Wege von 1,3-3,1 km/unser "sich treiben lassen" 5,43 km

Höhenmeter: keine nennenswerten

Start und Ziel: mehrere Möglichkeiten, wir starteten von Ausgangspunkt 1

Unsere Dauer: 2 1/4 Stunden

Kleiner Tipp aus Sicht der Großstadtwanderer: verschiedene Routen möglich, am besten einfach treiben lassen, genießen. Bankerl und Rastmöglichkeiten vorhanden.

Unsere allgemeinen Wandertipps: Großstadtwanderer

Fotos von Fotografin Renate, www.fotografinrenate.at 

Transparenz

Wien, 27.10.2021