Orte der Kraft

Markt Piesting, Industrieviertel, Niederösterreich

Kaum haben wir unser Auto beim Waldbad in Markt Piesting geparkt, geht es auch schon bergauf. Super, damit habe ich jetzt nicht gerechnet. Herrlich entspannend wirkt der Föhrenwald auf uns. Obwohl, entspannend ist noch gar nichts. Noch schleppe ich meinen Großstadtluxuskörper und den schweren Rucksack die Steigung, vorbei an einem Bildbaum hoch. 

Im Wald ist es mucksmäuschenstill. Irgendwie habe ich das Gefühl, als würde die Welt kurz den Atem anhalten und uns Großstädtern beim Erklimmen der ersten Höhe zuschauen.

Endlich haben wir das "Rote Kreuz" erreicht. Nein, keine Angst, uns ist nichts passiert und Luft bekomme ich auch schon wieder. Das "Rote Kreuz", ist eine Anhöhe zwischen Markt Piesting und Dreistetten. Hier gibt es nicht nur einen kleinen Rastplatz, sondern auch freie Blicke über weite Felder bis zur hohen Wand. Tja, gäbe es, wenn sich nicht der Nebel hartnäckig, entgegen meines Wetterberichtes, halten würde. Das "Rote Kreuz" war bereits in der Keltenzeit Lebens- und Versammlungspunkt und diente als Kult- und Beratungsplatz. Hier wurde Recht gesprochen und gerichtet. Er gilt als "Ort der Kraft", hier herrscht deutlich erhöhte natürliche Energie.

Danach führt die Route 3 des >>tut gut<< Wanderweges gemütlich, auf weichem Waldboden weiter. Dort und da hören wir wieder Singvögel, hin und wieder raschelt es irgendwo. So wunderschön gewachsen wirken die Föhren auf uns. Wirklich beeindruckende Bäume. Und die, wie kleine Gesichter wirkenden Stellen an manchen Bäumen sind die Spuren der Pecherei.

Hier wurde das Baumharz, auch "Pech" genannt, gewonnen, um in weiterer Folge zu einer Reihe chemischer Produkte verarbeitet zu werden. Heute ist die Pecherei immaterielles Kulturerbe. Kaum zu glauben, dass erst im Alter zwischen 90 und 120 Jahren die Föhre sich im günstigen Alter zur Harzgewinnung befindet. Und keine Angst, die Bäume sterben dadurch nicht. Die Natur schaut schon darauf, dass, bei fachkundiger Gewinnung, der Baum am Leben erhalten wird. Sie holt sich sowieso gekonnt zurück, was ihr gehört.

Der Weg führt allmählich etwas bergab, passiert die Route 2 und gelangt zur Bundesstraße. Vis-á-vis erhebt sich die Ruine Starhemberg. Der Weg geht wieder etwas bergauf, diesmal leider sehr gatschig. Wir passieren den Hintereingang des Gasthaus "Zitherwirt", wo sich auch die Einhornhöhle befindet. Bald wird es wieder flacher und eine schöne Aussicht auf Dreistetten liegt uns zu Füßen. Noch immer ist der Nebel unser ständiger Begleiter.

Leicht matschig geht der Weg weiter, bis wir wieder zum "Roten Kreuz" kommen. Zurück geht es bergab, über die anfängliche Steigung. Erst jetzt begreifen wir, wie hoch wir Großstädter gestiegen sind, denn es scheint endlos bergab zu gehen.

Irgendwie habe ich das Gefühl, wieder beobachtet zu werden und der, mit viel Phantasie, entdeckte "Wächter des Waldes" verabschiedet uns freundlich. Geschafft. Wir sind zurück.

Und jetzt ab auf die Südautobahn bis zur ASFINAG-Raststation Leobersdorf - dort, wo es die weit und breit besten und günstigsten Leberkässemmeln gibt. Und ich nehme gleich einen Kilo Honig für die nächsten Wanderungen zum Süßen unseres Früchtetees mit.

Abends gibt es dann in meiner Zauberküche aus dem Krisenkochbuch Schweinsbraten mit Kraut und Knödel.

Übrigens, wir waren 2 1/2 Stunden unterwegs.

Der gesamte Weg ist laut Internet in etwa 6 Km mit rund 207 Höhenmetern sowie 8.600 Schritten. Weitere Beschreibung und Karte unter https://wanderwege.noetutgut.at/.

Unsere allgemeinen Wandertipps: Großstadtwanderer

Fotos von Fotografin Renate, www.fotografinrenate.at 

Transparenz

Wien, 21.02.2021