Ein wichtiger Wasserlieferant

Der Marchfeldkanal - der erste Teil, Wien

Nun gut, Hand aufs Herz. Eigentlich habe ich schon tausende Male vom Marchfeldkanal gehört, war aber noch nie da.

Der Kanal erstreckt sich über 18 KM, führt durch zwei Bundesländer und wurde in den Jahren 1986 bis 2004 errichtet. Eigentlich ist er Teil eines rund 80 Kilometer langen und orografisch links der Donau verlaufenden Marchfeldkanalsystems, bestehend aus Marchfeldkanal, Rußbach, Obersiebenbrunner Kanal und Stempfelbach. Und ein absolut wichtiger Wasserlieferant für das sehr trockene Marchfeld. Wer sich weiter in die Materie vertiefen möchte, der schaut am besten bei der Homepage vom Marchfeldkanal vorbei. Wie immer mache ich hier keine Abschreibübung, sondern erzähle euch unser Erlebnis.

Wir nutzen den, nach der ersten Frostnacht in Wien, frischen Sonntagmorgen, und wollen unsere Winterwanderschuhe erstmals ausführen und testen. Der Weg ist für nagelneue Schuhe, die noch dazu seit Anfang des Jahres im Originalkarton auf Einsatz warten, wie gemacht. Durch die praktische Anreise mit den öffentlichen Verkehrsmitteln und den immer wieder querenden Verkehrsmitteln können wir testen, wie weit uns die Schuhe tragen.

Öffentliche Anreise

Wir starten bei der Autokaderstraße. Anreise mit der Bim 26, Station Autokaderstraße. Und dann zwischen den Hochhäusern Richtung Niederösterreich gehen. Bei der kleinen Brücke geht es los. Wenn mein Schatz nicht von Natur aus neugierig wäre, hätte ich den herrlichen Blick bis zum Leopolds- und Kahlenberg gar nicht gesehen.

Der Weg ist angenehm, eben und gut beschildert. Ein herrliches (Natur-)erlebnis. Hier führt auch der Marchfeldradweg. Ebenso sind viele Nordic-Walk-Fans unterwegs, die mit ihrem speziellen Klappern immer leicht auszunehmen sind. Dazu gesellen sich am heutigen Sonntag unzählige Läufer. Und wir zwei Fotografen. Wobei wir entlang unserer Route noch einem Herrn mit großer Kamera begegnen.

Wir lassen es gemütlich angehen. Uns fasziniert die noch leicht verfrorene Natur, die sich uns, in der immer stärker werdenden Sonne, präsentiert. Die kleinen Eiskristalle, die Blätter und Früchte überziehen, erinnern mich an den Kristallzuckerrand auf den Cocktailgläsern in unserer Lieblingsbar direkt am Meer.

Gut, lassen wir das. Heuer ist Corona-Jahr, da bleiben solche Erinnerungen Träume anstatt Wiederholung. Wurscht, wir gehen weiter. Das heftige Flügelschlagen und das harte Windgeräusch verraten, das gerade Schwäne über uns hinweg fliegen. Vom Wasser her schnattern Enten. Wahrscheinlich ihr Sonntagsplausch. Viel gibt es zu entdecken. Sogar jetzt, wo sich die Natur auf den Winterschlaf vorbereitet.

Heute sind viele Menschen unterwegs, dennoch bieten die kleinen Flecken direkt am Wasser eine wunderbare Erholung. Wir tauchen in die Natur, konzentrieren uns auf die Ruhe und versuchen unsere geplagten Nerven aufzubauen und zu festigen. Die knackig frische Luft in unsere Lungen zu ziehen und unsere Gedanken auf eine mystische Reise zu schicken. Die zuvor über uns hinweg geflogenen Schwäne versuchen sich als Topmodels. Als sie jedoch zu knapp kommen, suchen wir das Weite.

Möwen kreischen hektisch durch die kalte Novemberluft. Irgendwo regt sich ein Blässhuhn auf. Hin und wieder sehen wir Fischer entlang der Strecke.

Abbrechen oder weitergehen?

Kurz vor der Brünnerstraße diskutieren wir, weitergehen oder abbrechen? Nachdem uns unsere Füße noch tragen, gehen wir weiter. Der Marchfeldkanal wird romantischer, die Natur urwüchsiger, die Menschenmassen weniger. Richtig angenehm.

Langsam beginnen die Füße zu schmerzen. Daher kehren wir bei Kilometer 11 dem Marchfeldkanal den Rücken und spazieren zwischen derzeit herbstlichen Feldern nach Gerasdorf/Oberlisse. Wir beobachten noch an die 15 Rehe, die sich über die Feldreste hermachen. Wenn ich einem bekannten Jäger vertrauen kann, dann steht uns, wenn sich jetzt die Rehe so zusammen tun, ein harter Winter bevor.

Noch ein paar Schritte auf der Hauptstraße bis zum Friedhof Stammersdorf. Wien hat uns wieder. Und der Linienbus, ja, der fährt sogar sonntags relativ oft, kommt in wenigen Minuten und bringt uns rasant nach Stammersdorf, von wo wir unsere Heimreise antreten.

Es war ein richtig entspannter Sonntag. Wir haben wieder frische Energie für die kommende Woche getankt. Ich weiß, wir waren trotz Lockdown 2 unterwegs, aber nach den Regeln der Regierung dürfen wir. Wir leben und lieben ohnehin zusammen, wir haben unser Immunsystem auf einer Strecke, wo Platz genug für viele Menschen ist, gestärkt. Und in den Öffis waren wir auch fast alleine, denn gezählte max. 20 Personen in einer Bim sind in Wien schon gar nichts.

Und jetzt geht es ab nach Hause, wo eine wärmende Bohnensuppe, die ich gestern schon vorbereitet habe, sowie Aufbacksemmeln auf uns warten. Und das Wander-Notfall-Spray von Styx. Denn jetzt tun uns schon die Füße weh. Aber irgendwann fahren wir nach Gerasdorf und gehen von dort den Marchfeldkanal weiter bis nach Deutsch Wagram. Ganz bestimmt sogar.

Wien, 22.11.2020

Unsere allgemeinen Wandertipps: Großstadtwanderer

Fotos von Fotografin Renate

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