Da ist er immer. Nur zeigen tut er sich selten

Petrobruck, Lohnbachfallweg, Niederösterreich

Und wo sind wir jetzt genau?

Ich drehe den Plan, den ich vor einiger Zeit im Bärenwald Arbesbach mitgenommen habe, in meinen Händen. Schon gut, ich höre schon wieder Leser/innen murmeln: "Nimm doch einfach das Handy und schalte das GPS ein. Kann doch nicht so schwer sein, Du...".

Aber lassen wir das. Wer unsere Wanderberichte hin und wieder liest, oder uns selbst kennt, weiß, dass wir eben ohne technische Spielereien uns der Natur ergeben möchten. Als Großstadtwanderer sind wir ohnehin permanent von Technik umgeben und so wollen wir in der Natur abschalten, Ruhe finden, unsere Sinne schärfen und die Kondition aufbauen. Deshalb halte ich auch den kleinen Folder des Lohnbachfallwanderweges in Händen. Aber wo sind wir jetzt wirklich?

Auf die Sinne verlassen

Wir lauschen in die Natur. Irgendwo in der Ferne plätschert Wasser, der Wind streift durch die Baumspitzen, Nebel steigt von einer Wiese gegen Himmel. Zaghaft versuchen wir auf dem Folder den gefahrenen Weg zu rekonstruieren. Irgendwo da muss unser Auto stehen, also sollten wir uns genau hier... Oder nein warte, wir kamen von dort, bogen da ab, überholten hier die Wandergruppe und zogen da die Handbremse. Oder war es geradewegs auf der anderen Seite? Zwei große Parkplätze sind hier eingezeichnet, aber ich bin fast sicher, weder da noch dort steht unser Auto. Wir sind einfach einem Hinweisschild gefolgt und stehen nun irgendwo zwischen Himmel und Bärentrail.

Unsere Augen kreisen über die Wiese, durchforsten den Wald. Ich gehe einen Schritt nach rechts. Und tatsächlich, dort hinter dem Gebüsch lugt eine kleine Brücke hervor. Gefunden. Na bitte, geht doch. Wir sind also beim Zeller Steg. Und schon sehen wir auch die Wandertaferl mit der Bärenpfote. Jetzt kann nichts mehr passieren. Über den Zeller Steg geht es für uns los.

Manchmal habe ich das Gefühl, meine Wanderschuhe sehen schon den Berg, ehe ihn meine Augen erreichen und möchten am liebsten umkehren. Nichts da, mein üppiger Großstadtkörper wird über die Lohnhöhe geschleppt. Vorbei am Steinernen Bründl geht es ab dann gemütlich bergab. Nur wir wissen genau, wo es bergab geht, geht es auch irgendwann bergauf.

Es gibt unzählige Routen

Übrigens, rund um den Lohnbachfall gibt es eine Unmenge an Wanderrouten, einfach mal neumodisch googeln und dann je nach Kondition für sich selbst die beste Entscheidung treffen. Daher gehe ich hier auch nicht näher auf Länge, Höhe, etc. ein.

Schon bald kommen wir zum Skulpturenpark in Lohn. Dort, wo Kunst den Rost bezwingt, wo sich auch ein geschotterter Parkplatz befindet. Auf diesem hätten wir eigentlich parken wollen. Langsam dämmert es uns, dass wir einfach einem großen Hinweisschild "Lohnbachfall" nachgefahren sind und somit mitten in den, in unserem Prospekt beschriebenen Rundwanderweg eingestiegen sind. Wurscht, jetzt sind wir auf dem richtigen Weg.

Vom Skulpturenpark führt ein gut beschilderter Weg endlich zum Lohnbachfall. Hier durchbricht der Lohnbach, der in der kleinen Kamp mündet, in einer schmalen Schlucht eine massive Gesteinsbarriere. Wildromantisch stürzt das Wasser durch die riesigen Steine.

Manchmal leben wir vom Glück

"Da habt ihr aber Glück, dass es die letzten Tage so viel geregnet hat, denn nur nach extremen Regenfällen oder nach der Schneeschmelze zeigt sich der Wasserfall von seiner schönsten Seite. Meist fließt der Lohnbach sanft unter den Steinen hindurch. Da ist er immer, aber meist nicht wirklich sichtbar", klärt uns ein weiterer, anscheinend einheimischer Fotograf auf, während wir gazellengleich, oder wie heißt das Tier mit dem Rüssel, über die nassen Steine klettern um die schönsten Fotostellen zu erreichen.

Verdammt rutschig sind die Steine. Höchste Vorsicht ist geboten. Dennoch, ich muss da durch, diese einzigartige Fotozeit ausnützen. Manchmal brauchen eben Großstadtwanderer auch Glück in und mit der Natur.

Dank der soliden Waldviertler Zimmermannsarbeit ist, wenn man nicht waghalsig auf Fotomotivsuche ist, ein relativ sicherer Aufstieg gewährleistet. Dennoch heißt es "auf eigene Gefahr". Durch die letzten Regentage, sowie der feuchten Umgebung ist das Holz feucht und glitschig. Mit der linken Hand umklemmere ich die festen Holzstämme, während die Rechte damit beschäftigt ist, die Kamera nicht fallen zu lassen. Jeden Schritt überlege ich mir gut. In meiner Großstadt komme ich nie in solche Situation, deshalb heißt es doppelt aufpassen.

Es ist nur ein kleiner Teil des Bärentrails im Waldviertel

Schon bald ist der Anstieg vorbei, der Lohnbach verschwindet unter moosbewachsenen Steinen. Mystisch liegt der Wald vor uns. Es scheint, als hören wir von weitem Feengekicher. Die machen sich sicher über die beiden Großstadtheinis mittem im Wald lustig. Oder ist es gar der Geist des Teddybären, der für den Bärentrail hier verantwortlich ist. Dort huscht ein heller Lichtschein durch das Dickicht. Hier knirscht es im Untergehölz. Meine Phantasie geht mit mir durch.

Einfach herrlich so ein Tag in der Natur, dort wo Wassermassen tosend über Steinformationen brechen, Geister ihr Unwesen treiben, Steine uralte Geschichten murmeln, Kunst, die Rost bezwingt und Technik, die sich auf Papierwanderpläne beschränkt. Herrlich, so ein Tag, der Phantasie anregt, Sinne stärkt, Kondition fördert und Abstand von allen Alltagsproblemen schafft.

Lassen wir uns einfach viel mehr drauf ein. Und wenn wir jetzt die Wanderlust für Großstädter geweckt haben, dann schaut bei uns immer wieder vorbei. Wir haben bereits einige Touren erkundet und beschrieben. Und noch viele Touren vor uns.

Unsere allgemeinen Wandertipps: Großstadtwanderer

Fotos von Fotografin Renate, www.fotografinrenate.at 

Transparenz

Wien, 04.11.2020