Mariahilfberg
Gutenstein, Industrieviertel, Niederösterreich
"Da will ich nicht mal im Traum raufwandern", dachte ich mir jedes Mal, während ich meinen tonnenschweren Reisebus mit Pilgern, Ausflugsgästen, Kirchenbesuchern oder Betrieben hochgefahren habe.
Diese Einstellung hielt bis heute. Bei der Pfarrkirche in Gutenstein, der Wahlheimat von Ferdinand Raimund und dem Herzen der Gutensteiner Alpen im Tal der Piesting starten wir los. Vorbei an der verlassenen Bäckerei, entlang des Schlossparks von Schloss Hoyos führt der Weg links an der Feuerwehr entlang in die sich öffnende Landschaft der Längapiesting. Noch ist es nur Asphaltweg, obwohl die Landschaft schon sehr faszinierend ist.
Wir lassen den Wegweiser "Kaisersteig" links liegen und gehen mehr oder minder gerade weiter. Nur ganz selten treffen wir auf die eigentlich blaue Markierung. Wir fragen uns gerade, ob wir richtig sind, als endlich die Abzweigung "Mariahilfberg" und "Schaftersbachweg", direkt an einem Wegkreuz, auftaucht. Von nun geht es gemählich bergauf. Unglaublich viele Schmetterlinge begleiten uns. Vögel zwitschern ihre Morgenlieder und wir freuen uns über den schönen, breiten Weg.
An einem idyllisch gelegenen Häuschen führt der Weg vorerst über ein Stück Wiese und setzt in einem alten Karrenweg weiter. "Mäßig steil", hämmern die Wanderbeschreibungen auf diversen Internetseiten in meinem Kopf, während ich meinen Großstadtluxuskörper den Berg hochschleppe. Würde ich nicht wie eine alte Dampflok schnaufen, wäre es herrlich ruhig im Wald. "Jetzt beginne ich wirklich mit einer Diät", schmettere ich luftschnappend meinem "Chef" entgegen.
Naja, eigentlich ist es nicht wirklich so steil, aber die Luft, obwohl es noch nicht mal 10 Uhr morgens ist, ist bereits zum Schneiden. Ein herrlicher Sommertag kündigt sich an. Zu schwül für große Wanderungen. Aber bewegen wollen wir uns trotzdem.
Dankend nehme ich auf einen der vielen Bankerl Platz. Unsere große Wasserflasche ist im Nu fast leer. "Verdammte Hitze", fluche ich leise, während mein "Chef" mich zum Weitergehen animiert.
Schon bald ist die Ansteigung geschafft und es geht mehr oder minder eben weiter. Herrliche Ausblicke begleiten uns immer wieder. Am schönsten beim Malersitz. Der Blick zur Dürren Wand und zum Servitenkloster wirkt schon fast kitschig und die rund 600 m Umweg haben sich ausgezahlt. Ich verstehe den berühmten Landschaftsmaler Rudolf von Alt, der hier den Fernblick auf die Bergwelt genossen haben soll.
Von nun sind es ein paar Minuten und wir erreichen die pittoreske Wallfahrtskirche Mariahilfberg. Na bitte, doch zu Fuß heraufgekommen, ich klopfe mir auf die Schulter. 1661 befestigte Sebastian Schlager von Mariazell an einer Buche ein Gnadenbild, 1665 gab es hier die erste wundersame Heilung. Danach folgte die erste größere Wallfahrt zum Gnadenbild. 3 Jahre später wurde die neu erbaute Kapelle feierlich eingeweiht und 1688-1675 wurde die erste Wallfahrtskirche und das Kloster erbaut. Die weitere Geschichte kann man in der Kirche gleich rechts hinter der Eingangstür nachlesen.
Heute ist der 15. August, Maria Himmelfahrt. Die Katholische Kirche feiert diesen Tag traditionell mit einer Kräuterweihe, daher ist die Kirche auch gesteckt voll und wir ziehen uns zuerst ins einzig verbliebene Gasthaus zurück. Die gesegneten Kräuter sollen lt. Volksglauben die Familie und ihr Vieh das ganze Jahr vor Unheil, Krankheit und Verzauberung schützen, den Hof vor Blitzschlag bewahren, das Eheglück fördern oder für Kindersegen sorgen.
"Wolltest du nicht mit einer Diät beginnen?", mein "Chef" schaut mich fragend an, während ich ein Stück ofenfrischen Schweinsbraten im Mund verschwinden lasse. Ich schiebe ein Stück Semmelknödel nach und pfauche mit vollem Mund. "Doch nicht heute!". Beim anschließenden flaumigen Gugelhupf meine ich nur: "wir gehen heute eh nur noch bergab!"
Endlich kommen wir zur Kirche und erleben einen sehr bewegenden Moment. Eine tschechische Pilgergruppe lässt, unter geistlicher Segnung, Friedenstauben für die Ukraine frei. Ich hoffe nur, sie kennen den richtigen Weg. Das Publikum bricht in tosenden Applaus aus und wir schließen uns kurzer Hand an.
Danach schauen wir noch in die Kirche, wo die Pilgergruppe mit einer Messe beginnt. Ein kurzes Gebet, eine Kerze, ein rasches Foto und wir ziehen am Wurzelweg bergab Richtung Ausgangspunkt.
Der Weg ist erstaunlich gut zu gehen – Achtung nur bei Regenwetter, da werden die Wurzeln rutschig sein und es recht gatschig werden. Begleitet von Bildstöcken, die das Leben Mariens darstellen, geht es gemütlich in nicht mal 40 Minuten tatsächlich nur noch bergab. Und mit der Diät beginne ich dann, wenn ich mal Zeit habe.
Angaben lt. Internetrecherche – gefunden im Vorfeld.
Strecke: ca. 7 Km (mit Abstecher zum Malersitz sowie Besichtigung der Kirche)
Höhenmeter: 270 Hm
Tourbeschreibung: leicht
Wo geht es los? Wie kommt man hin?
Start und Ziel: Pfarrkirche Gutenstein
Anreise: PKW
Mit dem Auto: Parkplätze vorhanden. An unserem Wandertag kostenlos.
Öffentlich: Linienbus oder Zug (Dann kommen aber noch rd. 4 Km dazu)
Empfehlung für Gruppen: Wanderbusse ab 6 Personen bei CÄSAR
Wie lange waren wir unterwegs? Gibt es Rastmöglichkeiten? Gastronomie entlang der Runde?
Infos lt. Erfahrung am Tag unserer Wanderung
Unsere Dauer inkl. Fotos, Abstecher zum Malersitz, Mittagspause, Kirchenbesuch: rund 4 Stunden
Bei Bedarf Verpflegung mitnehmen, wirklich viele Rastmöglichkeiten gefunden.
Gastronomie entlang der Strecke: am Mariahilfberg, ein Gasthaus gibt es noch. Öffnungszeiten im Internet bzw. erfragen.
Folgende Hinweise sind aus unserer Sicht bzw. Anhand unserer Erfahrung am Wandertag:
Markierung: am Tag unserer Wanderung gut markiert
Kinderwagen: nicht geeignet
Rollstuhl: nicht geeignet
Fahrrad: nicht geeignet
Hunde: an der Leine kein Problem.
Wegbeschaffenheit: Asphalt, Wiese, alte Karrenstraße, Waldweg, Wurzelweg
Was noch wichtig/interessant ist: Wurzelweg könnte bei Schlechtwetter recht rutschig und teils gatschig werden. Unbedingt den Abstecher zum Malersitz einplanen.
Die Runde kann auch verkehrt gegangen werden. Dann von der Kirche über die Brücke, links, entlang von Schloss Hoyos und rechts an der Feuerwehr direkt auf den Wurzelweg (ist beschrieben)
Wanderung Nummer 272 seit 29.08.2020
Unsere allgemeinen Wandertipps: Großstadtwanderer
Fotos von Fotografin Renate
Wien, 15.08.2023