Unterrohrbacherweg

Leobendorf, Niederösterreich

Die königliche Familie staunt nicht schlecht, während unzählige Besucher rote Einkaufssackerl über die Brücke tragen und von Rittern, Edelmännern und Bediensteten freundlich gegrüßt werden. Inzwischen ist in der Küche die Hölle los, da alle die Köchin als Hexe bezeichnen und mit Fingern auf sie zeigen. "Scheiterhaufen für alle", heißt das köstliche Urteil. Ein Ritter bringt vom letzten Feldzug seine Beute, eine runde Tafel mit, die sofort in den heiligen Hallen der Königsfamilie verstaut wird. Ein neues Bett zieht in die mittelalterlichen Hallen ein und König Putz stellt das Recht auf die erste Nacht.

Normalerweise läuft Werbung im Fernsehen an mir vorbei, doch bei diesen vier Episoden musste ich mehrmals hinschauen. Zurück ins Mittelalter! Die königliche Familie eines großen Möbelhauses in royalem Gewand, Bauern, die mit ihren Ziegen durch mittelalterliche Märkte streichen und Ritter, die die pompöse Burg bewachen. Wie aus einer fernen, fernen Zeit und dennoch mir so bekannt. Aber warum fasziniert mich diese Werbung so sehr?

"Und erkennst du sie jetzt?", leicht triumphierend steht mein Chef neben mir, "ich habe dir gleich gesagt, das ist die Burg Kreuzenstein!"

Tja, Recht hat er. Aber ist das jetzt eine gute Idee, wenn ich einem, in diesem Fall sogar meinem Mann, recht gebe? Oder werde ich auch gleich zur Hexe am Schauplatz der mittelalterlichen Burganlage?

Die Burg Kreuzenstein vor den Toren Wiens, auf die wohl alle Wiener Schulkinder mindestens einmal müssen. Irgendwo muss der kleine Ritter von damals noch in meiner Erinnerungssammlung stehen. Jahre später durften ein Kollege und ich spätnächtens mit unseren Bussen Filmproduzenten und Personal vom Dreh abholen bzw. am nächsten Tag wieder bringen. Wieso erkannte ich dann die Burg nicht gleich im Werbespot? Immerhin liegt Kreuzenstein auf einer Anhöhe des Rohrwaldes, direkt nördlich über der Ortschaft Leobendorf sowie gleichzeitig zwischen den Städten Korneuburg und Stockerau auf einer Seehöhe von 266 m und ist weithin sichtbar.

Der neuromantische, als "Musterburg" gedachte Bau, ringförmig um einen Hof über dem Grundriss der mittelalterlichen Burg angelegt, liegt im Morgenlicht vor uns. Aufgrund der Wettervorhersage mit Temperaturen weit über der 30 Gradgrenze stehen wir noch einsam und verlassen vor den hohen Türmen, der Wehrmauer sowie der Bogen- und Zugbrücke. Eine Runde um die Burg. Die Königsfamilie dürfte noch schlafen, denn es ist Sonntag, da müssen die auch nicht im Möbelhaus ihre Könige, die Kunden bedienen. Ruhig ist es, nur hin und wieder hört man die Greifvögel von der anschließenden Adlerwarte.

Wir haben unsere Runde beendet und begeben uns auf den Unterrohrbacher Wanderweg mit rund 8 km. Nachdem wir eigentlich mitten in den Weg einsteigen, laufen wir schon mal, vorbei am Kinderspielplatz und dem Sportplatz in die falsche Richtung. In Leobendorf finden wir dann das erste Wanderschild und kommen bald zum "Eingemachten Herrgott", wo eigentlich der kurze Weg direkt von der Burg ankommt.

Der "Eingemachte Herrgott" ist ein geschnitzter Korpus, welcher einst von einer dreiseitigen, hölzernen, mit einem Dach versehenen einfachen Hütte vor Witterungseinflüssen geschützt wurde. Daher kommt auch der etwas eigenartige Name.

Weiter geht es bei weiten Fernsichten entlang einer Allee nach Oberrohrbach. Bei der Nepomuk Säule verlassen wir die Ortschaft und biegen Richtung Unterrohrbach. Hin und wieder ist die Markierung nicht ganz schlüssig. Ich habe mir zwar aus dem Internet die Wanderkarte ausgedruckt, die ist aber so klein und kaum lesbar, daher muss ich widerwillig einige Male das Handy befragen. Dreimal helfen uns freundliche Einheimische, die fremde Wanderer gerne auf den richtigen Weg bringen.

Wir kommen am romantischen Asperlkeller vorbei, der leider noch geschlossen hat. Wandern durch Unterrohrbach und sehen endlich nach dem Hötzelberg wieder die Burg Kreuzenstein im Dunst.

Das Wetter wird immer drückender und die Schwüle ist kaum mehr zu ertragen. Ich würde jetzt gerne die Königsfamilie anrufen und um eine Kutsche ersuchen. Leider gab es damals noch keine Handies und so schrauben wir uns schweißgebadet Schritt für Schritt weiter zum Ausgangspunkt.

Strecke: 8 km zuzüglich der kleine Umweg am Anfang

Höhenmeter: keine Ahnung, aber es war keinen nennenswerten Steigungen zu bewältigen, denke lt. Karten so um die 100

Start und Ziel: wir haben vom Parkplatz der Burg Kreuzenstein die Runde begonnen

Unsere Dauer - inklusive Tierbeobachtungen, Fotopausen, einer Wander-Frühstückspause: ca. 3 Stunden

Kleiner Tipp aus Sicht der Großstadtwanderer: Verpflegung mitnehmen, entlang der Route keine Einkehrmöglichkeit, außer der Asperlkeller hat schon geöffnet. Ansonsten wäre noch die Burgtaverne (SB) bei der Burg Kreuzenstein

Unsere allgemeinen Wandertipps: Großstadtwanderer

Fotos von Fotografin Renate, www.fotografinrenate.at 

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Wien, 15.08.2021