Wo Dinosaurier neben der Venus von Willendorf grasen

Von weither ertönt das Gebrüll eines pflanzenfressenden Riesen, während der Neandertaler auf Beutezug für das Mittagessen ist. Die Krokodile liegen lautlos auf der Lauer, während der Mensch mit den ersten Schritten beginnt. Die Venus von Willendorf interessiert sich indessen für die letzten Menoriteneinschläge. Und längst ausgestorbene Tiere berichten packende Geschichten über deren Vergangenheit.

In Afrika brütet die Hitze über der Savanne, während der weiße Hai im kühlen Nass auf Beutezug ist. Ein kleiner Affe sitzt hoch über der Erde und beobachtet schweigend das Geschehen. Der König der Tiere ermahnt die Besucher, die Maskenpflicht aufgrund der Covid-19-Verordnung im Sommer 2020 einzuhalten, während unzählige bunte Schmetterlinge aus aller Herrenländer den Besuchern um die Nase schwirren. Meine Blicke schweifen über die Vitrinen bis hoch in die Kuppel.

Fast habe ich den Eindruck mitten in den Film "Nachts im Museum" gestolpert zu sein. Mein knurrender Magen erinnert mich aber, dass es kurz vor dem Mittagessen ist und deutet unweigerlich auf einen Platz im Café unter der atemberaubend schönen Kuppel.

Dank meiner Phantasie ist das Naturhistorische Museum in Wien zum Leben erwacht. Ich unterhalte mich mit wilden Tieren, diskutiere mit dem österreichischen Dinosaurier, plane Reisen mit dem Neandertaler, fachsimple mit den Menschenaffen und Grüße freundlich die kleine Echse. Höre einen meiner Lieblingstiere, dem Tiger zu. Er erzählt vom Raubbau an seinem Lebensraum und der Bedrohung, die weltweit herrscht.

Das Jahr 2020 ist anders. Corona hält die Welt fest im Griff. Und ich verbringe so viel Zeit in meiner Heimatstadt, wie seit meiner Kindheit nicht mehr. Und wenn das Jahr schon anders ist, dann kann ich meine alten Einstellungen auch einmal über den Haufen werfen. Also wieso immer nur bei Regen ins Museum? Während draußen die Sommerhitze brütet, ist es in den hohen Räumen wohl temperiert. Trotz verordneter Corona-Schutz-Maske im Gesicht schwitze ich nicht. Und das heißt bei mir viel.

Ich war mir gar nicht mehr bewusst, welche großartigen Schätze im Naturhistorischen Museum zu finden sind. Ich bin hin- und hergerissen zwischen bezaubernder Architektur und unbekannter Tierwelt. Zwischen Entstehungsgeschichte und dem Kaffeeangebot im Café, das mich zu einer Pause heranwinkt.

Kaum zu glauben, wir sind schon über 2 Stunden zwischen Steinzeit und aktueller Sonderschau unterwegs und noch lange nicht am Ende. Geschweige in der Tiefe der Materie abgetaucht. Ich überlege ernsthaft mir eine Jahreskarte zuzulegen, denn an einem Tag schaffe ich alles gar nicht, so umfangreich sind die Sammlungen. Das Naturhistorische Museum in Wien - ein Museum voller Geschichte, wilder Tiere und atemberaubender Architektur. Ein Museum, das fesselt, fasziniert und verblüfft.

Eigentlich bin ich jetzt ganz froh, dass uns die momentane Situation unsere eigene Heimatstadt wieder näher bringt.

Fotos von Fotografin Renate, www.fotografinrenate.at 

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